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Predigten zum Neuen Testament

 

 

Predigt als Vikarin

 

Emmauskirche München, 1999

Suchen und gefunden werden (Joh 1,35-42)

 

Liebe Gemeinde!

Geschichten vom Suchen. Jeder unter uns könnte darüber viel erzählen. Als Kinder hatten wir ein Spiel, da wir im Frühjahr spielten, wenn der Schnee geschmolzen war und man noch auf die Wiesen durfte: Sachensucher. Die Idee hatten wir bei Pippi Langstrumpf abgeschaut, die auch herumstreifte und mit Thomas und Annika Sachen suchte. Ein zielloses Streifen und Suchen, bereit, sich überraschen zu lassen. Viel gab es eigentlich nicht zu finden - aber dennoch hatten wir den Eindruck, dass wir mit Schätzen heimkehrten: Teile von Silvesterraketen, undefinierbare farbige Plastikstücke, einmal ein Zwirnrolle - wertloses Gerümpel - für uns aber Schätze, die der glückliche Finder hütete. Gerade die scheinbare Ziellosigkeit führt zum Ziel. Dieses Suchen ist kindlich absichtslos. Der Gegenstand des Suchens scheint sich dem Finder anzubieten, fast als wäre es nicht der Finder, der eine Fundsache aufklaubt, sondern die Fundsache, die den Finder findet.

Eine zweite Geschichte vom Suchen: auf den ersten Blick ähnelt sie der ersten, der Kindergeschichte.

Da haben zwei Männer einen Anstoß erhalten. Sie sind neugierig geworden. Ich stelle mir vor, wie sie sich in der Nähe von Jesus herumdrücken. Dann plötzlich und ganz unerwartet richtet Jesus eine Frage an sie: Was sucht ihr?

Nach der ersten Überraschungssekunde fassen sie sich und die innere Maschine läuft an: Ja - was suchen sie eigentlich? Sie hatten eine Ahnung, dass das Umfeld Jesu etwas Überraschendes bieten könnte - aber sagen, was sie eigentlich suchen, können sie nicht auf Anhieb. Was meint eigentlich die Frage von Jesus: Was sucht ihr? Meint sie: Was sucht ihr bei mir? Was wollt ihr von mir? Sucht ihr irgendetwas? Sucht ihr etwa mich? Seid ihr überhaupt nach irgendetwas auf der Suche, oder lebt ihr einfach so dahin?

Die Antwort der beiden Männer scheint überhaupt nicht zur Frage zu passen: Wo ist deine Bleibe? - Orientalische Indirektheit? Oder eine klassische Missverständnisszene wie bei Karl Valentin? Ein Ausweichen vor Jesu Frage: Was sucht ihr? Oder vielleicht doch eine echte Antwort, die zeigt, wie die beiden Männer Jesu Frage intuitiv verstanden haben? Sie fragen nach dem, was für sie wirklich von Interesse ist: Wo kommt er her dieser Jesus? Wo hat er seinen Ursprung? "Lamm Gottes" hat ihn Johannes der Täufer genannt, was steckt dahinter? Wo ist seine Bleibe? Hinter dem Ausdruck "Bleibe" mag mehr als die Frage nach einem Ort stecken. Was prägt ihn, trägt ihn? Wer hält ihn? Und diese Frage dreht sich plötzlich um und betrifft gar nicht mehr so sehr Jesus, als vielmehr sie selbst: Können wir bei ihm eine Bleibe finden? Sie fragen nach der Bleibe Jesu und meinen doch viel mehr sich selbst. Wo können wir eine Bleibe haben? Wo finden wir einen Ort der Geborgenheit,` ein wirkliches Zuhause?

Jesus macht nicht große Worte. Ganz schlicht ist seine Einladung: Kommt und seht! Schaut euch an, was ihr sucht. Nehmt euch Zeit dafür und prüft selbst!

Was haben sie wohl gesehen? Unser Text verschweigt uns das an dieser Stelle und erzählt dann nur, dass die beiden Männer fasziniert gewesen sein müssen, denn sie laden auch ihre Brüder ein, dasselbe zu entdecken wie sie selbst. "Wir haben den Messias gefunden, den Christus" - den also, der von Gott gesandt ist. Sie haben in dem für sie bis dahin völlig unscheinbaren Jesus etwas Besonderes entdeckt, einen Schatz. Ohne zu wissen, dass es genau das war, was sie suchten, haben sie einen Schatz entdeckt - oder vielleicht stimmt es eher, wenn man sagt: der Schatz hat sie entdeckt? Wer sucht, der findet - dieses Bibelwort kennen Sie alle. Doch, nach dem was hier geschieht, müssten wir sagen: Wer sucht, der wird gefunden! Das ist ihnen widerfahren.

Warum erzählt der Evangelist Johannes diese Geschichte?

Sie steht ganz am Beginn seines Evangeliums, im ersten Kapitel. Eine Art Vorgeschichte, die den Lesern zurufen möchte: Kommt und seht! Ihr auch! Nicht nur diese beiden Männer sind angesprochen und eingeladen, kommt und seht, seht den an, der die Suchenden findet. Lest, und ihr werdet herausfinden, was die beiden Männer an Jesus so fasziniert hat. Lest und ihr werdet herausfinden, was es heißt, bei Jesus eine Bleibe zu finden.

Nun bleibt uns natürlich die Frage, wie solches Kommen und Sehen sich für uns in der Gegenwart gestalten soll.

Welche Hinweise gibt uns unser Text? An welchen Punkten können wir uns heute, 2000 Jahre später in den Männern von damals wiederfinden? Zuerst: Die Männer erhalten einen Tipp, einen Hinweis, ihre Aufmerksamkeit wird auf Jesus gerichtet. Diesem Hinweis schenken sie Gehör - und gehen ihm im wahrsten Sinn des Wortes nach.

Hinweise auf Gott, auf Jesus Christus, die haben wir, die wir hier sind in Hülle und Fülle. Von Kindheit an wurde uns immer wieder davon gesprochen ... Und lange bevor wir noch selbst anfangen konnten zu suchen, wurden wir von Gott schon gefunden - davon spricht die Taufe. Den Hinweisen nachgehen? Das ist schon schwieriger. Da finden wir uns in guter Gesellschaft mit den beiden Männern, denen zunächst gar nicht klar ist, was sie eigentlich wollen und suchen.

Lassen wir uns mit ihnen fragen: Was sucht ihr?

Was suchen wir? Keine einfache Frage? Was suche ich eigentlich? Was suche ich eigentlich? Ich suche: vielleicht Arbeit, eine Wohnung, - Verständnis, Menschen, die mich verstehen, bei denen ich bleiben kann, mit denen ich leben kann, einen Menschen vielleicht, der für mich da ist, und für den ich da sein kann. Ich suche "eine Bleibe", ein Zuhause, einen Ort der Geborgenheit, einen Ort, an dem ich sein darf, wer ich bin. Danach suche ich, tief und eigentlich. Diese Bleibe ist weniger eine Stätte, ein Ort. Die Suche richtet sich auf Menschen. "Heimat ist da, wo die Menschen sind, zu denen wir gehören."

Die beiden Männer folgen der Einladung Jesu: Kommt und seht! Finden, was sie wirklich suchen, können sie nur, indem sie sich in die

Nähe des Gesuchten begeben. Es hätte ihnen nichts genutzt, eine philosophisch-theologische Debatte zu beginnen über das Für und Wider. Nein, sie mussten sich in die Nähe Jesu begeben, sein Leben mitleben, - kommen und sehen - , sich auf etwas Neues und Unerwartetes einlassen, dessen Ergebnis sie nicht im Voraus kannten. Das war sicher eine Hürde, die wir gut nachvollziehen können. Wie gesagt, das, was sie sahen und erlebten, erzählt der Evangelist an dieser Stelle nicht. Davon berichtet er in den späterem Kapiteln seines Evangeliums.

Entscheidend ist, dass die beiden Männer kommen und sehen. Dietrich Bonhoeffer nennt das: den "freien Lebensversuch" wagen. Johannes' ganzes Evangelium beschreibt, wie dieser freie Lebensversuch des Kommens und Sehens aussieht: An Jesu Seite lernen die Männer das Verhalten Jesu kennen, hören ihn reden, beginnen, ihr eigenes Leben an seinem zu orientieren, sie erkennen mehr und mehr in ihm den Sohn Gottes.

So ruft Jesu Aufforderung auch uns auf Kommt und seht! Bleibt in meiner Nähe! Bleibt einmal eine Weile bei mir. Wie ihr das tun könnt? Sucht die Gemeinschaft mit mir. Lebt, als ob ich mitten unter euch leben würde, und tut, was ich tun würde, konsequent. Sprecht mit mir im Gebet.

Bleibt bei mir, denn bei mir habt ihr eine Bleibe, ein Bleiberecht.

Lass euch mit hineinnehmen. Was ihr dann entdecken werdet? - Nicht weniger als dass ich tatsächlich der bin, der von Gott zu den Menschen gesandt wurde, um sie einzuladen, ihre Bleibe bei ihm zu finden.

Von den Konfirmanden oder den Schülern im Religionsunterricht kann man immer wieder die Frage hören: Ja - können wir denn heute nicht mehr Gott begegnen? Warum erzählt heute keiner davon, was er mit Gott erlebt? - Vielleicht trifft sich diese Frage ja mit Ihren eigenen Eindrücken: Warum entdecken wir heute von Gott nichts mehr?

Ich will einmal eine vorsichtige Antwort versuchen - nur eine von mehreren möglichen:

Wir entdecken von Gott so wenig, und Jesus scheint uns so weit entfernt, weil wir uns angewöhnt haben, alles skeptisch aus der Ferne zu betrachten. Wir folgen eben gerade nicht der Einladung: Kommt und seht!, sondern weichen eher vorsichtig zurück - und entschuldigen uns damit, dass der zeitliche Abstand eben zu groß sei..

In der Geschichte der Christenheit allerdings gab es immer wieder Gottsucher, die uns vorgemacht haben, was es heißen kann zu kommen und zu sehen, trotz eines Jahrhunderte langen Abstandes vom irdischen Jesus: Für alle diese Leute spielte es eine große Rolle, sich durch das wiederholte Lesen und Meditieren der Berichte der Evangelien, an Jesus

heranzutasten. So den Blick immer von Neuen auf ihn zu richten. Für diese Gottsucher ging es darum aus der Bibel die Anrede Gottes herauszuhören und dann das zu tun, was sie da vernahmen. Sie investierten Zeit und Energie. Live hatten sie Jesus ja auch schon nicht mehr, aber durch die Beschäftigung mit ihm wurde er ihnen wieder lebendig. Sich einlassen auf seine Ideen und Worte, war der nächste Schritt und dann die Entdeckung machen, dass der freie Lebensversuch, das Wagnis, zu einem neuen Sehen führt.

Der "freie Lebensversuch" ist notwendig. Ohne sich einmal darauf einzulassen, diesem Jesus näher zu kommen, wird er einem fern und unbedeutend bleiben. Aus der Ferne aber kann keiner entdecken, welchen Schatz es zu bergen gilt. Wer sich dem Wasser nicht anvertraut, kann noch so viele Trockenübungen machen. Dass das Wasser ihn trägt, wird er nicht entdecken.

Vielleicht geht es uns so wie den Kindern beim Sachensuchen und den Männern in der Bibelgeschichte: wir erwarten gar nicht viel, wissen gar nicht so genau, was wir eigentlich suchen. - Am Ende wird die Entdeckung stehen: Ich habe vielleicht nur ein bisschen und ganz ziellos gesucht - aber ich bin gefunden worden. Ich selbst bin der unscheinbare Gegenstand, der in der Hand Gottes erst volle Bedeutung und vor allem eine Bleibe gewinnt. Amen.

Der Friede Christi, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Lied: 346,1-3 Such, wer da will

 

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Letzte Aktualisierung: 12. Dezember 2014

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