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Predigten zum Neuen Testament
41. JG. 2007/2008
DIE LESEPREDIGT
Ostermontag
24.3.2008
Hören
auf den Gott, der redet
Text: Apg 10,34a.36-43 (erst später verlesen!)
1. Der
Predigttext des Ostermontags führt uns in ein Haus in der Stadt Cäsarea an der Mittelmeerküste Israels. Dort ist
Kornelius stationiert, ein Centurio der
sogenannten Italischen Kohorte. Er gehört zu den Freunden des Judentums.
Obwohl er selbst kein Jude ist, hat er sich mit den Traditionen vertraut
gemacht, er gibt Almosen, setzt seine Hoffnung auf den Gott Israels und
betet zu ihm. Menschen wie er werden in seiner Zeit als „Gottesfürchtige“
bezeichnet.
Während
einer seiner Gebetszeiten hat er eine Erscheinung. Er sieht einen Engel
Gottes bei sich eintreten und hört dessen Botschaft: Gott wolle ihm eine
Antwort auf seine Gebete geben und er solle einen ihm unbekannten Mann, Simon
Petrus holen lassen. Dieser sei gerade in Joppe zu Besuch bei Simon dem
Gerber. – Kornelius tut, wie ihm geheißen und sendet zwei Diener und einen
frommen Soldaten in die 50 km entfernte Stadt.
Dieses
Ereignis trifft mit einem zweiten zusammen: Während Kornelius’
Gesandtschaft bereits unterwegs und schon in der Nähe Joppes
waren, beginnt dort Petrus auf dem Dach sein Mittagegebet. Er bekommt
Hunger, betet weiter während ihm das Essen zubereitet wird und gerät in
eine Verzückung, wie die Apostelgeschichte berichtet. Eine Art Ekstase
könnte man vielleicht sagen, in der ihm eine Vision zuteil
wird: Er sieht ein Tuch vom Himmel kommen, das vor ihm ausgebreitet
ist. Darin befinden sich Tiere, Vierfüßler und Kriechtiere, für Juden
ungenießbar und unrein. Im wird befohlen, sie zu
essen, doch tapfer weigert er sich, etwas zu tun, was er noch nie getan
habe, und was er als falsch empfindet – Unreines zu essen. Doch statt Lob
zu empfangen, weil er den Speise- und Reinheitsgeboten gehorcht, erntet er
von der Himmelsstimme Tadel: „Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht
verboten.“ Dreimal ereignet sich diese Vision. Petrus ist ratlos.
In
dieser Minute stehen die Abgesandten des Kornelius vor der Tür. Und auf dem
Dach spricht der Geist Gottes zu Petrus – er solle nicht daran zweifeln,
dass die unten wartenden Männer in Gottes Auftrag gekommen seien. Petrus
steigt zu ihnen herunter und erfährt, warum sie hier sind. Am nächsten
Morgen machen sie sich gemeinsam auf den Weg nach Cäsarea.
Als die
kleine Reisegruppe dort eintrifft, hat Kornelius seine Freunde versammelt
und alle warten gespannt auf das, was Petrus zu sagen hat. Er beginnt zu
sprechen: (Lesung des Predigttextes,
ergänzt durch einige weitere Verse: Apg 10,34-48)
2. Eine
Geschichte voller uns fremder Züge: ein Engel kommt zu Kornelius, während
er betet; Petrus hat eine Vision und hört den Geist Gottes zu sich
sprechen. Und beide glauben auch, dass es tatsächlich Gott ist, der mit
ihnen redet. Sie scheinen gar nicht auf die Idee zu kommen, dies zu hinterfragen.
Es ist unabweisbare Tatsache: Gott spricht zu ihnen. Und so steht es auch
außer Frage, dass sie tun, was er sagt. Ganz klare Wegweisung, und sie
lassen sich bewegen. Und dann machen sie die Erfahrung: Es passt alles
zusammen.
3. Wenn
Gott doch zu mir auch einmal so eindeutig sprechen würde!
Auffällig
ist, dass Gottes Anrede nicht mitten in den Alltag hinein, zwischen Tür und
Angel geschieht, sondern da, wo Kornelius und auch Petrus Gott im Gebet
suchen. Sie pflegen ihre Gebetszeiten. Regelmäßig und auch ausgedehnt
suchen sie die Verbindung mit Gott. Sie setzen sich in ihren Gebetszeiten
der Begegnung mit Gott aus. Das sind keine kurzen Tischgebete oder
Notfallgebete zwischendrin, wenn gerade alles daneben geht. Kornelius und
Petrus haben Phasen des Tages reserviert, die ausschließlich dem Gebet
gewidmet sind und konkurrenzlos Gott gehören.
4. Wenn
Gott zu uns doch auch so eindeutig und eindrücklich sprechen würde!
Was
sowohl Petrus als auch Kornelius auszeichnet, ist die Bereitschaft dem
Hören das Handeln folgen zu lassen. Anders als die viele moderne Gläubige
lassen sie sich nicht zuerst von der Skepsis leiten: „Kann es denn
überhaupt sein, dass Gott zu uns spricht. Vielleicht bilden wir uns das ja
nur ein. Ich verstehe auch gar nicht so recht, was das alles bedeutet, was
in der Bibel steht.“ Es gibt tausend Ausreden, dem, was wir hören, nicht zu
folgen. - Petrus ist ratlos. Ratlosigkeit könnte ein Grund sein, den Kopf
zu schütteln und wegzugehen. Petrus dagegen stellt sich dem, was ihm
begegnet, und nimmt es als von Gott geschickt. Dass seine eigenartige
Vision genau die Vorbereitung für seine spätere Predigt vor Nichtjuden ist,
kann er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Doch er folgt der Stimme
Gottes. Wie aber hören wir die Stimme Gottes? Das ist eine Frage, die viele
junge und ältere Christen immer wieder bewegt. Die wenigsten können über
Visionen und Himmelsstimmen berichten. Der Ort, an dem wir Gottes
Handschrift lesen, ist seine Schöpfung. Der Ort, an dem wir Gottes Stimme
vernehmen können, ist sein Wort, ist die Bibel – einfach und schwer zu
verstehen zugleich. Von dem Schriftsteller Mark Twain ist die Bemerkung
überliefert: „Mir bereiten nicht die Bibelstellen Bauchweh, die ich nicht
verstehe, sondern diejenigen, die ich verstehe.“ Wie wäre es, genau da
anzufangen, wo wir verstehen, was Gott von uns möchte? Etwa indem wir uns
die Zehn Gebote vornehmen und mit dem ersten beginnen: „Ich bin der Herr,
dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Leben wir
danach? Hat Gott das Sagen in unserem Leben und bei unseren Entscheidungen?
Fragen wir überhaupt nach ihm? Und fragen wir ihn? Oder lassen wir uns in unserem Alltag von vielem leiten,
nur nicht von Gott?
5. Gott
spricht und handelt durch betende Menschen.
Das zeigt
uns die Geschichte um Kornelius und Petrus ganz deutlich. Alle wesentlichen
Impulse kommen aus dem Gebet – aus der Begegnung mit Gott, aus dem Hören
auf ihn und aus der Bereitschaft, ihm zu folgen. Betende Menschen sind in
unserer Geschichte geradezu die Voraussetzung dafür, dass Gott weiteren
Menschen begegnet. Es ist heute ziemlich unumstritten, dass es zur
„Seelenhygiene“ dient, wenn ein Mensch sich regelmäßige Auszeiten nimmt,
meditiert, die Stille sucht, zu sich kommt. Das tut gut, macht ausgeglichener,
hilft mit den Belastungen des Alltags fertig zu werden. Und oft ist es auch
für die Mitmenschen wahrnehmbar, wenn jemand sich selbst gefunden hat und
mit innerer Ruhe seine Aufgaben anpackt. Beten jedoch meint noch mehr, als
die Einkehr bei sich selbst. Im Gebet finden Menschen nicht nur zu sich,
sondern auch zu Gott und zu Gottes Wegen.
„Beten
ist Reden mit Gott – und Hören.“ So beginnt ein neueres geistliches Lied.
Der hörende Beter ist es, den Gott in seinen Dienst nimmt, und durch den
Gott sein Wort in der Welt wirksam werden lässt. So sehr im Beten die
Beziehung zwischen Gott und dem, der betet, gestaltet wird, so sehr drängt
das Beten auch über diese Zweierbeziehung hinaus und ist Motor für alles
Handeln der betenden Menschen. Es ist die Quelle, aus der sie schöpfen,
wenn sie aus Gottes Kraft heraus Gottes Welt mitgestalten.
6. Gott
bewegt Menschen durch sein Wort.
Angenommen
Petrus käme heute in unsere Gemeinde und würde so zu uns sprechen, wie wir
es im Predigttext gehört haben. Wie würden wir reagieren? Wie haben Sie
innerlich reagiert, als sie die Lesung gehört haben? So wie einige
Studenten bei einem Bibelgespräch? Sie meinten zuerst, mit solchen
Evangelisationspredigten könnten sie heute eigentlich nichts anfangen. Was
hier in elementarisierter und ganz knapper Form gepredigt wird und was in
seiner Prägnanz an das Apostolische Glaubensbekenntnis erinnert, das sei
sozusagen Grundwissen. Kein neuer Aha-Effekt; nichts was man aus einer
Predigt mitnehmen könnte.
Doch
nach einigem Nachdenken kamen weitere Überlegungen auf: Vielleicht ist es
das, was wir brauchen – wieder neu an die „Basics“ erinnert werden, an das
absolut Grundlegende des christlichen Glaubens – und sich wieder neu damit
auseinander setzen. Gibt es nicht gerade hier Neues zu entdecken – über das
reine Faktenwissen hinauszugehen und zu fragen: Wie lebe ich denn mit
diesem Evangelium vom gekreuzigten und auferstandenen Christus? Ist Jesus
Christus, der die Mitte des christlichen Glaubens ist, auch die Mitte
meines Lebens?
Petrus’
Hörer lauschten mit innerer Offenheit und wurden ergriffen. Für sie hatten
die Worte der Verkündigung Konsequenzen – sie ließen sich auf Veränderungen
ein. Die Worte gingen nicht zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder
hinaus. Nein, sie gingen ins Herz und fielen dort auf fruchtbaren,
vorbereiteten Boden.
Für uns
heutige Hörer kann dies eine Motivation sein, uns selbst zu fragen, worauf
das Wort Gottes bei uns trifft: auf offene Ohren, auf ein offenes Herz, auf
einen aufnahmebereiten Boden? Sind wir bereit, das, was wir hören
anzunehmen und uns davon bewegen zu lassen – oder befinden wir uns in so
sicherer Distanz, dass wir so tun können, als ginge uns das alles nichts
an?
7. Was
geschieht, wenn Menschen sich im Gebet für Gottes Reden öffnen?
Kornelius
erhält die Antwort, die er ersehnt. Gott offenbart sich ihm und er versteht
das Evangelium von Jesus Christus. Er hat wohl zu denen gehört, die sich
nach der Predigt des Petrus taufen ließen, weil er ergriffen vom Heiligen
Geist Jesus nachfolgen wollte.
Petrus
erhält Weisungen, die nicht in sein bisheriges System passen. Er ging davon
aus, dass nur Christ werden kann, wer vorher ein Jude geworden ist, wer
beschnitten ist; und von wem klar ist, er gehört zum auserwählten Volk. Nun
erlebt er, dass nach seiner Evangelisationspredigt Nicht-Juden Gottes
Heiligen Geist empfangen. Was vorher sicher und klar war, gilt nicht mehr.
Er muss sich von Gott korrigieren lassen – und tut, was vorher undenkbar
war: er tauft Unbeschnittene. Und er muss die
Kritik und das Unverständnis seiner Jerusalemer Freunde aushalten.
Damit
ist zu rechnen: Wenn Gott mit uns redet, gibt es manches Mal Antworten auf
unsere Fragen. Manches Mal aber fordert uns Gott dazu heraus, unsere
bisherigen Einstellungen zu überprüfen, uns neu auszurichten und Gottes
Reden in unserem Handeln zu folgen – auch wenn wir Unverständnis dafür
ernten.
Doch mit
betenden Menschen verändert Gott seine Welt.
Amen.
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